Was sind „Soft Skills“?
Jeder Mensch hat eine Sehnsucht danach, sich selbst zu begreifen. Die Kenntnis unserer selbst ist die Grundlage unserer Lebenstüchtigkeit. Wenn ich weiss, dass ich nur 50 Sekunden ohne Luft auskomme, werde ich längere Tauchgänge vermeiden. Wenn ich weiss, dass ich Laktose nicht vertrage, dann ist mir auch klar, dass Milkshakes nicht mein Ding sein können. Und wenn ich mich selber gut genug kenne, kann ich auch mein Sozialverhalten so gestalten, dass ich mich damit wohl fühle. Selbst- und Sozialkompetenz sind die wichtigen Bestandteile unserer allgemeinen Lebenstüchtigkeit.
Platon betrachtete diese Lebenstüchtigkeit als eine Form der Weisheit, die er phronesis nannte, was in der Regel als „praktische Intelligenz“ übersetzt wird. Die Anwendung dieser praktischen Intelligenz führt, so sagten Platon und Aristoteles übereinstimmend , zur eudaimonia (wörtlich: zu guten Dämonen, good spirits) zu Wohlergehen.
Platon‘s phronesis findet sich in dem wieder, was wir heute als Soft Skills bezeichnen, in den persönlichen und sozialen Kompetenzen. Die Aufteilung in „persönlich“ und „sozial“ ist eine künstliche: alle Soft Skills sind Teile der persönlichen bzw. Selbstkompetenz, d.h. der Fähigkeit, sich selber adäquat (d.h. sich selber und der gegebenen Situation gemäß) zu handhaben.
Einen Überblick über den Lebensbereich, in dem die Selbstkompetenz zum Tragen kommt, gibt folgende Zeichnung.
Wie alle anderen dynamischen Systeme auch hat ein Mensch drei funktionale Ebenen:
- eine Inputebene, bei der etwas in das System hereinkommt,
- eine Ebene, auf der innere Prozesse stattfinden, und
- eine Outputebene, auf der ein Mensch seinerseits Ausdruck findet.
(Andere Inputs wie Stoffwechsel, Flüssigkeits- und Wärmehaushalt etc. gehören natürlich auch dazu, werden hier aber im Rahmen der Soft Skills vernachlässigt.)
Unsere Wahrnehmung ist das Organ, mit dem wir Umweltreize aufnehmen, auch, aber nicht nur, soziale. Sie ist der Generalschlüssel zur Selbstkompetenz, weil sie nicht nur unsere wichtigste Schnittstelle zur Aussenwelt und zu unseren Mitmenschen ist, sondern (als Innenwahrnehmung) auch das Instrument unserer konstruktiven Selbstreflektion.
Die inneren Prozesse, die wir zu verwalten haben, können mental, emotional oder auch körperlicher Natur sein. Meist hängen die drei Bereiche (mental, emotional und körperlich) eng zusammen, ja bedingen einander sogar. Gemeinsam beinhalten Sie das Bewusstsein der eigenen Stärken und Schwächen, Zu- und Abneigungen, Werte und Ziele, also der Kräfte, die einem Individuum von innen her seine Richtung im Leben vorgeben. Auch die Verwaltung der mentalen und emotionalen Prozesse, das Abwägen zwischen Alternativen und das Entscheiden finden auf dieser Ebene statt. In Hinblick auf ein möglichst bewusstes, selbstbestimmtes und erfülltes Leben sollten diese inneren Prozesse so bewusst und so kompetent wie nur möglich verwaltet werden.
Der Ausdruck (Output-Ebene) schliesslich ist unsere zweite Schnittstelle zur Aussenwelt. Unser Ausdruck sollte seine Validität aus der bewussten und kompetenten Handhabung der ersten beiden Bereiche (Wahrnehmung und innere Prozesse) erhalten, und nicht aus vorgegebenen Werten und äusserlichen Verhaltensschablonen. Deshalb geht es bei den Soft Skills weniger um das Inhaltliche, das WAS, als vielmehr um das Know-how im Umgang mit sich selber, um das WIE. Wer aus sich selber heraus agiert und interagiert, wird im Ausdruck authentischer und stärker in Erscheinung treten, als einer, der nur tools anwendet oder Verhaltensregeln befolgt.
Das Thema Selbstkompetenz sollte eigentlich einen vorrangigen Platz in den Lehrplänen unserer Schulen und Hochschulen haben, zumal Unternehmer eine gewisse Vorbildung darin bei Berufsanfängern einfordern. Das ist jedoch (noch) nicht der Fall. Unternehmen, die persönliche und zwischenmenschliche Reibungsverluste in ihrem Betrieb minimieren wollen, sind somit gezwungen, ihren Mitarbeitern das Fehlende im Rahmen der innerbetrieblichen Weiterbildung nachzureichen.
Ich arbeite hauptsächlich in diesem Bereich. Mein Anliegen ist es die Grundlagen der Selbstkompetenz (die ich lebenslang erforscht habe) bekannt zu machen. So produzierte ich mit BR-alpha 2005 eine 13-teilige TV-Serie mit dem Titel „Bewusst Leben - Psychologie für den Alltag“. Im April 2013 hielt ich am Schengen-Lyzeum den Vortrag „Soft Skills - Möglichkeiten der Schule“. Mein Handbuch der Selbstkompetenz „Bewusst Leben - Psychologie für den Alltag “ ist im Juli 2014 erschienen. Es ist in unserem Shop erhältlich. Eine Rezension finden Sie hier.
George Pennington, 02.12.2015